Website-Icon Herzratenvariabiliät (HRV)

Mit dem Alter ändern sich die HRV-Werte

Die Herzratenvariabilität verändert sich im Laufe des Lebens. Das Altern hat vermutlich den größten Einfluss auf die HRV-Parameter. Aus Normwert-Tabellen lässt sich entnehmen, dass die Verschlechterungen schon mit Anfang 20 beginnen und die einzelnen HRV-Parameter unterschiedlich “altern”.

Auch wenn Langzeitstudien belegen, dass die Lebensqualität und Lebenserwartung mit einer guten Herzratenvariabilität (HRV) steigen: Das Altern lässt sich nicht aufhalten. Ein Rentner wird wohl kaum bessere HRV-Parameter vorweisen können als ein Teenager, egal wie fit und entspannt der Senior ist. In Studien wurde festgestellt, dass die HRV etwa ab dem frühen Erwachsenenalter kontinuierlich abnimmt. Aus dem Übersichtsartikel zu altersbezogenen HRV-Effektgrößen von Matthias Fenzl und Christian Schlegel geht hervor, dass auch ein gesunder Lebensstil den Abwärtstrend nicht aufhalten kann.

Schlechtere HRV-Parameter bedeuten, dass die Entspannungsfähigkeit des vegetativen Nervensystems (VNS) abnimmt. Der Rückgang bezieht sich auf beide Anteile des VNS, auf die Aktivität des Sympathikus und des Parasympathikus. Beide sind gleichermaßen von den Veränderungen, die das Alter mit sich bringt, betroffen – wobei der Parasympathikus etwas mehr “leidet”.

Im Buch Herzschlagvariabilität von Werner und Ralf Arne Wittling befindet sich auf Seite 212 sowie auf deren Website eine Abbildung, die verdeutlicht, wie die Aktivität des Parasympathikus mit dem Alter abnimmt. Aus dem Tagesverlauf ist außerdem als Besonderheit erkennbar: Nachts wirkt sich die Verschlechterung der HRV bei höherem Alter stärker aus.

HRV-Normwerte je nach Alter

Im Folgenden gehe ich auf eine allgemein verfügbare Studie zu altersabhängigen Veränderungen der HRV-Parameter ein: die altersbezogenen Normwerte von Ken Umetani und Kollegen. Ich bitte alle Leser, sie nur als Orientierung zu nehmen, weil die Abweichung der persönlichen HRV-Werte von diesen Mittelwerten individuell gedeutet werden muss.

Die Wissenschaftler aus Kalifornien haben die HRV-Veränderungen von gesunden Studienteilnehmern im Alter von 10 bis 99 Jahren gemessen. Die HRV wurde bei 112 Männer und 148 Frauen mit einer 24-Stunden-Messung ermittelt. Wegen dieser großen Alterspanne ist verständlich, dass alle Altersgruppen über 60 Jahren schwach repräsentiert waren. Für die letzten drei Altersdekaden ließen sich nur noch 25 gesunde Männer und 37 gesunde Frauen finden.

Alter SDNN SDANN SDNN Index RMSSD pNN50 Herzrate
[Jahre] [ms] [ms] [ms] [ms] [%] [Schläge/min.]
10 – 19 176 ± 38 159 ± 35 81 ± 20 53 ± 17 25 ± 13 80 ± 10
20 – 29 153 ± 44 137 ± 43 72 ± 22 43 ± 9 18 ± 13 79 ± 10
30 – 39 143 ± 32 130 ± 33 64 ± 15 35 ± 11 13 ± 9 78 ± 7
40 – 49 132 ± 30 116 ± 31 60 ± 13 31 ± 11 10 ± 9 78 ± 7
50 – 59 121 ± 27 106 ± 27 52 ± 15 25 ± 9 6 ± 6 76 ± 9
60 – 69 121 ± 32 111 ± 31 42 ± 13 22 ± 6 4 ± 5 77 ± 9
70 – 79 124 ± 22 114 ± 20 43 ± 11 24 ± 7 4 ± 5 72 ± 9
80 – 99 106 ± 23 95 ± 24 37 ± 12 21 ± 6 3 ± 3 73 ± 10

Abbildung 1: Alterseffekte aus 24-Stunden-HRV-Messungen (Mittelwert und Standardabweichung) je Altersdekade (Quelle: Tabelle 2 in https://doi.org/10.1016/S0735-1097(97)00554-8)

Die altersabhängigen HRV-Normwerte wurden unter der Annahme einer Normalverteilung für einen Vertrauensbereich (Konfidenzintervall) von 95 % für bestimmte Altersstufen bestimmt. HRV-Parameterwerte, die außerhalb dieser Wertebereiche liegen, stellen offensichtliche Ausreißer von der Norm dar.

95%-Konfidenzintervalle
Alter SDNN SDANN SDNN Index RMSSD pNN50 HR
[ms] [ms] [ms] [ms] [%] [Schläge/min.]
10 101 – 279 85 – 261 48 – 113 25 – 103 4 – 137 57 – 105
20 93 – 257 79 – 241 42 – 107 21 – 87 3 – 97 56 – 104
30 86 – 237 73 – 223 36 – 100 18 – 74 2 – 68 55 – 103
40 79 – 219 67 – 206 30 – 94 15 – 63 1 – 48 54 – 102
50 73 – 202 63 – 190 24 – 88 13 – 53 1 – 34 53 – 100
60 68 – 186 58 – 176 18 – 82 11 – 45 1 – 24 52 – 99
70 62 – 172 53 – 163 11 – 77 9 – 38 1 – 17 51 – 98
80 57 – 159 49 – 151 5 – 70 8 – 32 0 – 12 49 – 97
90 53 – 147 45 – 140 0 – 58 7 – 28 0 – 9 48 – 96

Abbildung 2: 95%-Konfidenzintervalle altersabhängiger HRV-Parameter aus 24-Stunden-HRV-Messungen (Quelle: Tabelle 3 in https://doi.org/10.1016/S0735-1097(97)00554-8)

Altersunterschiede bei den HRV-Parametern

Auch wenn wir es nicht bewusst mitbekommen, der biologische Alterungsprozess beginnt schon in jungen Jahren. In dem Übersichtsartikel zu den altersbezogenen HRV-Effektgrößen von Matthias Fenzl und Christian Schlegel ist zu lesen, dass die deutlichsten Abnahmen zwischen der 2. und 4. Lebensdekade stattfinden. Nach der 6. Lebensdekade verlangsamt sich der Abwärtstrend.

Alle HRV-Parameter sind betroffen, egal ob SDNN, RMSSD oder Total Power. Beim SDNN fällt auf, dass er sich am langsamsten reduziert. Wenn wir die Tabelle von Ken Umetani zugrunde legen, werden in der 10. Lebensdekade noch 60 Prozent von der 2. Dekade erreicht. Die größten Einbußen gibt es bei den Parametern des Parasympathikus. Der RMSSD reduziert sich auf 47 Prozent und der pNN50 erreicht in der 6. Lebensdekade sogar nur noch 24 Prozent im Vergleich zur 2. Dekade. Danach kommt es zu einer Stabilisierung.

Im Buch Herzratenvariabilität von Doris Eller-Berndl gibt es zum Thema Senioren und altersbezogene HRV-Parameter einen interessanten Hinweis für Praktiker: “Bei Menschen über 65 Jahre sind pNN50% und RMSSD nicht zur Risikostratifizierung hinsichtlich Mortalität geeignet, da beide über dem Alter von 60 Jahren relativ stabil bleiben. SDNN, LF und HF sind jedoch sensible Parameter.”

Ohne Altersbezug: Tipps für Selbstanwender

Es geht auch ohne Altersbezug und Quervergleiche mit anderen Menschen. Wer täglich nach Möglichkeit immer unter gleichen Bedingungen misst, kann aus den Werten Rückschlüsse für sein eigenes Befinden ziehen. Am besten gelingt es, wenn man sich zu HRV-Werten ein paar Angaben, wie z. B. zur Schlafqualität, Arbeitspensum oder Trainingsumfang, notiert. Nach einiger Zeit wird man zum Experten für sich selbst und kann anhand der sogenannten Baseline-Werte einschätzen, was der Körper gerade braucht oder verträgt.

Wem das zu kompliziert ist, der kann sich mit Mess-Systemen helfen, die mit einer sogenannten Längsschnittinterpretation arbeiten. Sie nutzen eine festgelegte Anzahl von Messungen für die Interpretation der HRV-Parameter. Da man sich nur mit den eigenen Werten vergleicht, ist das Alter Nebensache.

Sinn oder Unsinn? Das biologische Alter

Jeder, der einmal vom biologischen Alter als HRV-Parameter gehört hat, will es nach einer HRV-Messung wissen. Jeder meint, mit dieser Angabe etwas anfangen zu können – und fühlt sich, je nach Ergebnis, sofort etwas besser oder auch ein bisschen schlechter.

Nach den Ausführungen zur altersbedingten Abnahme der HRV-Parameter könnte man meinen, dass sich das biologische Alter mit HRV-Analysen genauer bestimmen lässt. Leider ist es nicht ganz so einfach, weil sich gesunde Menschen gleichen Alters genetisch stark in ihrer HRV unterscheiden. Kommen Krankheiten, wie z. B. Asthma, oder Medikamente hinzu, dann wird das biologische Alter das kalendarische Alter wahrscheinlich nie toppen können.

Die mobile Version verlassen